Die Bedeutung Dritter Orte für Zusammenhalt und Gemeinschaft in München
Auf der vergangenen Stiftungsversammlung der Bürgerstiftung München hielt Karin Haist, Demografie-Expertin und ehemalige Programmleiterin der Körber-Stiftung, einen Vortrag über die Bedeutung sogenannter „Dritter Orte“ in einer sich wandelnden Gesellschaft. Sie machte deutlich, dass wir uns derzeit inmitten vielfältiger gesellschaftlicher Spannungen befinden: politische Polarisierung, zunehmende Einsamkeit, sinkendes Vertrauen in demokratische Institutionen sowie ungleiche Bildungs- und Teilhabechancen prägen das Miteinander. Zugleich schreiten Individualisierung und räumliche Mobilität voran, wodurch traditionelle soziale Netzwerke an Stabilität verlieren. Besonders in einer dynamischen Großstadt wie München werden persönliche Begegnungen seltener – soziale Bindungen sind weniger selbstverständlich geworden. Umso wichtiger sind Räume, in denen Menschen sich auf Augenhöhe begegnen können.
Dritte Orte, so Haist, sind offene und niedrigschwellige Treffpunkte jenseits von Zuhause und Arbeitsplatz. Sie bieten Raum für freiwillige, ungezwungene und regelmäßige Begegnungen. Ihr Wert liegt darin, Dialog zu fördern, Gemeinschaft zu stärken und bürgerschaftliches Engagement zu ermöglichen. Ob Bibliothek, Nachbarschaftstreff, Park oder digitales Forum – entscheidend sind Offenheit, Zugänglichkeit und die Chance, miteinander in Kontakt zu treten.
München bringe hierfür besondere Herausforderungen, aber auch Potenziale mit: eine hohe Diversität, dichte Bebauung, viele Ein-Personen-Haushalte und eine dynamische Stadtentwicklung prägen den Alltag. Gleichzeitig wachsen die sozialen und kulturellen Anforderungen an das Zusammenleben. Dritte Orte können hier gezielt gegensteuern. Sie schaffen Gelegenheiten für Begegnungen über gesellschaftliche, kulturelle und generationelle Grenzen hinweg und vermitteln gerade in einer Stadt mit hoher Mobilität ein Gefühl von Zugehörigkeit.
Haist verwies auf zahlreiche Beispiele, die die Wirksamkeit solcher Orte belegen. Große öffentliche Bibliotheken wie die Oodi in Helsinki oder Dokk1 in Aarhus dienen längst als „Wohnzimmer der Stadtgesellschaft“. In kleineren Kommunen entstehen neue Treffpunkte in ehemaligen Ladenlokalen oder in Form multifunktionaler Bürgerzentren. Auch mobile und temporäre Formate wie Open-Air-Konzerte, Begegnungsräume im öffentlichen Raum oder Initiativen wie „Radeln ohne Alter“ zeigen, wie vielfältig gemeinschaftsstiftende Orte entstehen können. Entscheidend sei stets, dass Menschen sich willkommen fühlen und gehört werden.
Besonders hob sie hervor, dass Projekte wie Urbane Gärten soziale und ökologische Nachhaltigkeit verbinden. Sie fördern die Zusammenarbeit ganz unterschiedlicher Gruppen, stärken das lokale Miteinander und schaffen im Kleinen identitätsstiftende Gemeinschaftsräume. Solche Orte seien dann besonders wertvoll, wenn sie Partizipation ermöglichen – wenn Menschen Verantwortung übernehmen und aktiv an der Gestaltung eines gemeinsamen „Wir-Gefühls“ mitwirken.
Zum Abschluss betonte Haist die wichtige Rolle der Bürgerstiftungen. Sie fungieren als Ermöglicher und Multiplikatoren, indem sie Menschen, Ideen und Ressourcen zusammenführen. Durch die Förderung lokaler Initiativen, das Öffnen von Räumen und die Unterstützung neuer Formen der Begegnung tragen sie maßgeblich dazu bei, dass München eine Stadt bleibt, in der Integration, Dialog und Engagement selbstverständlich gelebt werden.


